Softube Console 1 Mixing Hack: Nach Gehör mischen

Die Softube Console 1 ermöglicht (für "digitale Engineers") einen angenehmeren und intuitiveren Workflow. Schon etwas mehr als ein Jahr habe ich die meine Console schon. Pünktlich zum Release der MK2, dem verbundenen Preissturz und der UAD-Plugin Integration soll Dir dieser Artikel einen effizienten Mixing-Trick für das Gerät aufzeigen.

Endlich mit den Ohren mischen

Nach einigen Jahren des in-the-box Mixings (Mischen im PC) fiel mir auf, dass ich mich oft an Zahlen orientiere. Nur, weil ich sie in den Plugins ständig vor den Augen habe. Dezibel-Werte, Panning, Kompression und manchmal auch EQ-Frequenzen wurden in meinem Fall durch Zahlen beeinflusst. Oft habe ich bei Einstellungen auf schönere Zahlen gerundet. Ich habe mich also vom Visuellen beinflussen lassen. Im Audio-Bereich ist das in den meisten Fällen jedoch kontraproduktiv. Einzig bei Frequenz- und Loudness-Analyzern können Zahlen und Grafiken helfen.

Nachdem ich meinen ersten Controller (BCF2000) 2009 gekauft habe, kamen auch schon bald die nächsten. Mir gefällt es, weg von der Maus und hin zum Mischen nach Gehör zu kommen. Intuitives Handeln ist beim Mixing sehr hilfreich.  Die Console 1 hat mir dabei besonders geholfen. Sie war das entscheidende Werkzeug, um ohne Bildschirm mischen zu können.

Console 1 - Behringer BCF2000 white
Die Behringer Controller ersetze ich nun durch einen Presonus Faderport, da ich nur einen Kanal nach dem anderen bearbeite, und dafür keine 16 Fader gleichzeitig brauche.

80% des Mixes kann ich jetzt ohne Bildschirm erledigen.

Dafür brauche ich:

  • eine vorbereitete ProTools-Session (geht natürlich auch in allen anderen DAWs)
  • ein Blatt Papier mit den Kanalnummern und -bezeichnungen
  • Console 1
  • momentan noch meine BCF2000-Einheiten, bald jedoch "nur" noch einen Presonus Faderport.

Die Fader-Controller sind nur ein zusätzlicher Luxus, theoretisch könnte man alle Lautstärken auch über die Console 1 erledigen. Ich habe mich einfach an Fader gewöhnt und stelle die Lautstärken gerne darüber ein. Ich arbeite hier meist einen Kanal nach dem anderen ab, deshalb reduziere ich die Controller auf einen Presonus Faderport, der nur einen Fader bietet. Diese Entscheidung habe ich nach einer ehrlichen Analyse meiner Tools und Controller getroffen. Beim Faderport sind auch die Transport-Controlls (Play, Stop, usw.) und einige weitere sehr hilfreich, um schneller voranzukommen.

Session vorbereiten

Zunächst richte ich meine Session ein. 

Hierfür importiere ich alle notwendigen Spuren in eine neue Session meiner DAW (Pro Tools). Danach ordne ich die Kanäle in der richtigen Reihenfolge. Ich beginne mit Drums, dann Bass und dann die Instrumente. Ich färbe die Gruppen entsprechend ein und erstelle Aux-Kanäle, um einen Drum-Bus, Instrument-Bus, Reverb-Bus, usw. zu erhalten. Mehr Details zur Einrichtung von Sessions in ProTools findest Du in meinem Artikel "Übersichtlichkeit in ProTools".

Nach dem Ordnen lade ich das Console 1 Plugin in alle Kanäle.

Als nächstes erstelle ich eine Übersicht aller Spuren und Memory Locations auf Papier.

Die Reihenfolge und Namen der Tracks schreibe ich nach der Einrichtung der Session auf ein Blatt Papier, um die Kanäle dann über die Console 1 Kanaltasten erreichen zu können, wenn mein Bildschirm ausgeschaltet ist:

Die Kanäle können auf der Console 1 über eigene Tasten erreicht werden.

Um mich auf dem Blatt Papier besser zurecht zu finden markiere ich die Drums und Instrumente jeweils in einer eigenen Farbe. Um zwischen Strophen und Refrains schnell schalten zu können, erstelle ich Memory Locations. Man kann sie durch die Auswahl der gewünschten Stelle im Mix und dem Drücken der Enter-Taste auf dem Nummernpad (wichtig) erstellen. Diese können in ProTools über Tastaturkürzel (Komma, Locationnummer, Komma - z. B. klicke ich ,3, auf dem Nummernpad, um zur Memory Location 3 zu kommen) schnell erreicht werden. So sieht das Blatt dann aus:

Das Übersichtsblatt bietet alle wichtigen Infos auf einen Blick. Da kann man schon mal auf den Bildschirm verzichten.

Bildschirm ausschalten

Nach dem Erstellen des Übersichtsblattes für die Console 1 gilt es: Bildschirm ausschalten.

Mit einem abgeschalteten Bildschirm kann ich den groben Mix ehrlicher beurteilen und mich auf das Wesentliche konzentrieren, ohne von Zahlen und Werten beeinflusst zu werden. Ich kann den groben Mix besser ausbalancieren. Und das in allen drei Bereichen: Lautstärke, EQ, Panorama. 

Ein schwarzer Bildschirm hilft mir dabei, meine Tools so einzustellen wie sie am Besten klingen. Die Hemmschwelle, die mir sagt "das ist ein viel zu hoher / zu niedriger Wert, da muss ich noch was ändern", verschwindet.

Viele Engineers weisen darauf hin, wie wichtig es ist am Anfang einer Mixing-Session möglichst schnell einen groben Mix zu erstellen. Innerhalb der ersten Stunde sollten die Lautstärken und die EQs (nur grob) und das Panorama (Panning) eingestellt werden. 

Aber warum möglichst schnell?

In der ersten Stunde des Mixings sind die Ohren noch frisch und erfassen den Gesamtklang des Mixes besser. Man erreicht ein besseres Ergebnis, da man noch nicht "betriebsblind" ist. Stürzt man sich aber beispielsweise erst einmal in die intensive Bearbeitung eines einzelnen Elementes wie der Kick, verliert man die Perspektive für den Mix im Gesamten. Es wird schwerer, einen gut klingenden Mix zu erreichen. Auch stelle ich, wenn möglich, das Mixing an den Anfang eines Tages. So kann ich Fehler im Mix schneller und einfacher erkennen, da meine Ohren noch frisch sind.

Auch bei diesem Punkt hilft mir der abgeschaltete Bildschirm. Ich halte mich nicht mit Zahlen auf, sondern mische mit Vertrauen zu meinen Ohren. Das ist eigentlich ein großer Vorteil der analogen Technik, den wir nun in die digitale Studioatmosphäre einbinden und nutzen können. Das ist ein großer Schritt nach vorne für das digitale Studio. Ich kenne keinen digitalen Controller der das für diesen Preis bietet.

Vorteile der Console

Mit der Console 1 kann ich also "blind" einen großen Teil der Arbeit bewältigen.

Folgende Bereiche sind bei der Console 1 vorhanden:

  • Input Gain
  • Filter (Low- und High-Cut)
  • Transient Shaper & Gate
  • EQ
  • Kompressor
  • Saturation / Drive
  • Panorama
  • Output Gain

Mit dem Input-Gain sollte das Signal so eingestellt werden, dass es im DAW-Fader um die 0 dB-Marke liegt. So können mit dem Fader später feinere Justierungen vorgenommen werden. Alternativ kann man das aber auch weiterhin mit dem Input-Gain regeln. Bei langsamen Drehen des Reglers werden feinere Werte eingestellt.

Filter, wie der Low-Cut sind ein sehr wichtiges Feature, um aufzuräumen. Nicht benötigte tiefe Frequenzen und Störgeräusche können hier entfernt werden. Dies ist wichtig, damit der Kompressor (falls man diesen einsetzt) besser arbeiten kann. Auch für die Transparenz des Tracks ist ein aufgeräumtes Low-End sehr wichtig.

Ein weiteres wichtiges Feature, neben EQ und Kompression, ist der Drive. Wenn ein Sound etwas lasch daher kommt und die Präsenz fehlt, kann mit der SSL 4000 Saturation nachgeholfen werden. Auch der gewünschte Frequenzbereich kann mittels "Drive Character"-Regler eingestellt werden.

Mit dem Panorama-Regler können die Sounds im Stereofeld verteilt werden. Besonders hier macht sich das "blinde Mischen" stark bemerkbar. Ich persönlich habe mich immer sehr von den Panorama-Werten beeinflussen lassen. Mit der Console stelle ich es so ein, wie es für mich am Besten klingt, ohne auf Zahlen zu achten.

UAD Integration

Mein Audio-Interface ist ein Universal Audio Apollo Twin Duo, das hervorragende digitale Emulationen legendärer Studiogeräte als Plugins mitbringt. Ich bin begeistert von den UAD Plugins und habe mich umso mehr gefreut, dass die Console ab sofort diese Plugins bedienen kann.

Was bedeutet das?

Die verschiedenen Bereiche der Console 1 (EQ, Kompressor, usw.) konnten bisher mit anderen Softube-Plugins getauscht werden. Mitgeliefert ist der SSL 4000 Channel Strip. Hat man beispielsweise den Softube Tubetech EQ, kann man diesen anstatt des SSL EQs in der Console 1 verwenden. Das selbe geht nun auch mit sehr vielen UAD Plugins. Da ich einige Kompressoren und EQs von UAD benutze, erleichtert mir das die Arbeit nochmals.

Fazit

Diese Technik begleitet mich nun seit über einem Jahr. Ich habe damit bereits über 50 Mixes erstellen können und bin sehr überzeugt von dieser Technik. Sie hat mich auch dazu gebracht, mein Setup zu überdenken und nach der Effizienz zu analysieren. Deshalb reduziere ich von 16 Fadern auf nur einen einzigen. Das ist jedoch etwas, was ich jedem Produzenten ans Herz legen möchte: Überlege Dir genau, was Dir welches Tool (Soft- oder Hardware) bringt und ob Du es unbedingt brauchst. Minimalismus hilft Dir auch bei der Musikproduktion sehr weiter. Du wirst schneller und erfolgreicher, weil Du Dich weniger mit unwichtigen und ineffizienten Dingen aufhälst.

Deshalb ist die Console 1 für mich ein Must-Have geworden, auf das ich nicht verzichten möchte. Der "Bildschirm aus"-Mixing Hack hilft Dir hoffentlich genauso weiter.

Hast Du Ideen oder besondere Techniken, um Dein Mixing intuitiver und/oder effizienter zu gestalten? Ich freue mich auf Dein Kommentar!

Auf ein intuitives Mischen!

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